Stiftung Warentest testet Apps gegen Depressionen

Bild: Heftstapel von Stiftung Warentest

Die schlechte Versorgungssituation für Menschen mit psychischen Erkrankungen hat im Bereich der digitalen Anwendungen einen neuen Markt entstehen lassen. Der unübersichtliche Dschungel aus Online-Angeboten birgt gegenwärtig für die NutzerInnen mehr Risiken als Chancen (siehe Artikel „Mental Health Apps“ im WIR-Magazin 01|2019), solange noch keine seriösen Zertifizierungsverfahren bestehen. Jetzt hat sich auch die Stiftung Warentest mit dem Thema beschäftigt, jedoch verengt auf eine einzelne psychische Krankheit. In der Juliausgabe haben die Tester mit Unterstützung von Fachgutachtern acht deutschsprachige Online-Selbsthilfe-Apps zur Akutbehandlung oder Prävention von Depressionen unter die Lupe genommen und dabei viermal das Prädikat „empfehlenswert“ vergeben. Angebote, bei denen nicht die Online-Selbsthilfe, sondern Videosprechstunden mit TherapeutInnen im Zentrum stehen, wurden nicht getestet.

Depressive fühlen sich häufig entmutigt und müssen trotzdem monatelang auf einen Psychotherapieplatz warten. Statt durch TherapeutInnen können sie sich auch von einer App auf Smartphone oder PC nach der momentanen Befindlichkeit bzw. Belastungsintensität befragen lassen, Gefühle und Gedanken in Journalen oder in Multiple-Choice-Abfragen notieren und Hintergrundinfos bekommen. Bearbeitet werden Module aus einer Auswahl, ungefähr ein- bis zweimal pro Woche.  Die Programme basieren in der Regel auf der kognitiven Verhaltenstherapie. Die Verknüpfung von Gedanken, Emotionen und Handlungen ermöglichen eine wechselseitige Beeinflussung. NutzerInnen sollen lernen, negative Denkmuster zu durchbrechen und zu positiven zu verändern. Dies kann über neue Verhaltensweisen geschehen, zu denen die Software über verschiedene Vorschläge zur Tagesplanung bewusst anregt: Gartenarbeit, Sprachen lernen, bewusstes Lächeln in der Alltagskommunikation usw. Weitere Elemente sind Problemlöse- oder Entspannungstechniken, aber auch Fragebögen zur Erfassung der persönlichen Befindlichkeit, die gleichzeitig etwaige Fortschritte dokumentieren sollen.

Da sich die bewerteten Apps durch individuelle Features unterscheiden, empfehlen die Tester, nach Möglichkeit zwei oder mehr Programme zu testen. Denkbar sind sie z. B. ergänzend zu einer regulären Therapie oder als Behelf, wenn diese nicht möglich sein sollte. Für schwere Depressionen sind die meisten Angebote nicht geeignet – ebenso wenig zur Diagnosestellung. Dafür sollte ein(e) PsychotherapeutIn aufgesucht werden. Termine für ein Erstgespräch vergeben die Terminservicestellen der Bundesländer.

Empfehlenswert sind laut Stiftung Warentest derzeit

  • Deprexis 24 (Preis für Selbstzahler 298 € / Kostenübernahme durch DAK, IKK Südwest, Viactiv)
  • Get.On Depression Akut (Preis für Selbstzahler je 359 € / Kostenübernahme durch Audi BKK, Barmer, SVLFG)
  • Get.On Depression Prävention (Preis für Selbstzahler 79 bis 359 € / Kostenübernahme durch Audi BKK, Barmer, SVLFG)
  • Moodgym (kostenfrei und anonym).

Ihre Wirksamkeit ist durch seriöse Studien hinreichend belegt und sie bieten überzeugende Konzepte.

Achtung: Wer ein Programm über seine Krankenkasse nutzt, informiert sie damit über seine Teilnahme. Wer das problematisch findet, muss ein kostenloses Angebot wählen oder selbst zahlen.

Allgemein gilt: die Seriosität von Angeboten erkennen Sie daran, dass …

  • das Einsatzgebiet klar benannt und eingegrenzt wird.
  • klar erkennbar ist, wer hinter der App steht und wie sie finanziert wird.
  • Sie eine genaue Programmbeschreibung vorfinden inklusive Hinweis auf das Therapiekonzept.
  • klinische Studien benannt werden, die die Wirksamkeit des Programms belegen.
  • Sie über die Kosten für Selbstzahler vollumfänglich informiert werden.
  • die Datenschutzerklärung leicht zu finden und verstehen ist.

Bei begleiteten Programmen oder „Videosprechstunden“ ist darauf zu achten, dass die behandelnden TherapeutInnen qualifiziert, also idealerweise approbierte PsychotherapeutInnen sind.